Mittwoch, 11.10.2023
Liberales Dilemma
Meinungs-Artikel spiegeln die Meinung der Autoren wider, nicht unbedingt die des Kreisvorstandes.
"An Stelle der Ideen: obsessive Denkungsart." -- Emil Cioran, Das Buch der Täuschungen IV
In Zeiten der Polarisierung durch platte Vereinfachung lässt sich jedenfalls die allen Themen zugrunde liegende Obsession erkennen: die Abwehr oder gar Leugnung jeder Veränderung des status quo. Darum unbekümmert ändern Klimawandel, Migration, Pandemie, neue Kriege oder Inflation unser Leben, mit oder ohne unser Zutun.
Dieser Häufung von Problemen steht eine Gruppe durchaus von sich überzeugter, aber uneiniger und hilflos wirkender Zauberlehrlinge gegenüber, die den Ruf nach rechten Hexenmeistern, die dem Wirrwarr ein Ende machen sollen, schon fast verständlich erscheinen lassen. Wir amüsieren oder ereifern uns über träge Bürokraten, eine fehlbesetzte Außenministerin, eine machtkorrumpierte dito des Innern, die Vorliebe eines Spitzenliberalen für schnelle Autos oder die (gewiss nicht originäre) Verirrung eines unmündigen Knaben E. aus B. Derweilen ist die eigentliche Meinungsbildung zum Ausdruck gegenseitiger Verachtung erstarrt
Die in die Jahre gekommenen und zur Korrosion neigenden Mechanismen unserer Demokratie sind offenbar nicht krisenfest. Ideale von Einigkeit, Recht und Freiheit verblassen, während materielle Forderungen das Maß aller Dinge sind. Aus der Leistungsgesellschaft ist die Anspruchsgesellschaft geworden; gerade dann, wenn das Wachstum stockt, wird das erschreckend deutlich.
Die Demagogen schimpfen auf das System. Das hat Tradition. Und schon wieder Erfolg. Dabei kann eine Staatsform nicht besser sein als ihre Bevölkerung, die sie tragen soll. Deren größer werdender Teil will aber nur versorgt werden, ohne sich positiv zu engagieren. Appelle an Vernunft oder gar Moral stoßen auf taube Ohren.
Liberale erreichen mit Fakten und Argumenten wenig, und das schon bei den Koalitionspartnern. Die Alternativen sind nicht ermutigend: starre Programmatik kann die wackelige Regierung noch schwächer machen, faule Kompromisse mit dem Zeitgeist vertreiben die eigenen Anhänger. Auch robuste Anspielungen auf Vorurteile à la Union werden nicht belohnt, so etwas kommt eher den Originalhetzern zugute. Also resignieren?
Nein! Für uns gehören Freiheit und Verantwortung weiter zusammen, zwei Werte, die derzeit nicht hoch im Kurs sind. Wir haben Vernunft und Verständigung anzubieten und zu fordern, gegen den Trend, ja sogar gegen Wahlchancen. Für die Klaviatur böswilliger Polemik sind wir unbegabt. Und verspielte Glaubwürdigkeit bei unseren Anhängern wie Gegnern ist schwerer zurückzugewinnen als ein Parlamentssitz. Schließlich haben wir derartige Durststrecken schon mehrfach überstanden, nämlich durch Anerkennung nötigen Wandels und mutige Entschlusskraft zu seiner Mitgestaltung.
Dieser Häufung von Problemen steht eine Gruppe durchaus von sich überzeugter, aber uneiniger und hilflos wirkender Zauberlehrlinge gegenüber, die den Ruf nach rechten Hexenmeistern, die dem Wirrwarr ein Ende machen sollen, schon fast verständlich erscheinen lassen. Wir amüsieren oder ereifern uns über träge Bürokraten, eine fehlbesetzte Außenministerin, eine machtkorrumpierte dito des Innern, die Vorliebe eines Spitzenliberalen für schnelle Autos oder die (gewiss nicht originäre) Verirrung eines unmündigen Knaben E. aus B. Derweilen ist die eigentliche Meinungsbildung zum Ausdruck gegenseitiger Verachtung erstarrt
Die in die Jahre gekommenen und zur Korrosion neigenden Mechanismen unserer Demokratie sind offenbar nicht krisenfest. Ideale von Einigkeit, Recht und Freiheit verblassen, während materielle Forderungen das Maß aller Dinge sind. Aus der Leistungsgesellschaft ist die Anspruchsgesellschaft geworden; gerade dann, wenn das Wachstum stockt, wird das erschreckend deutlich.
Die Demagogen schimpfen auf das System. Das hat Tradition. Und schon wieder Erfolg. Dabei kann eine Staatsform nicht besser sein als ihre Bevölkerung, die sie tragen soll. Deren größer werdender Teil will aber nur versorgt werden, ohne sich positiv zu engagieren. Appelle an Vernunft oder gar Moral stoßen auf taube Ohren.
Liberale erreichen mit Fakten und Argumenten wenig, und das schon bei den Koalitionspartnern. Die Alternativen sind nicht ermutigend: starre Programmatik kann die wackelige Regierung noch schwächer machen, faule Kompromisse mit dem Zeitgeist vertreiben die eigenen Anhänger. Auch robuste Anspielungen auf Vorurteile à la Union werden nicht belohnt, so etwas kommt eher den Originalhetzern zugute. Also resignieren?
Nein! Für uns gehören Freiheit und Verantwortung weiter zusammen, zwei Werte, die derzeit nicht hoch im Kurs sind. Wir haben Vernunft und Verständigung anzubieten und zu fordern, gegen den Trend, ja sogar gegen Wahlchancen. Für die Klaviatur böswilliger Polemik sind wir unbegabt. Und verspielte Glaubwürdigkeit bei unseren Anhängern wie Gegnern ist schwerer zurückzugewinnen als ein Parlamentssitz. Schließlich haben wir derartige Durststrecken schon mehrfach überstanden, nämlich durch Anerkennung nötigen Wandels und mutige Entschlusskraft zu seiner Mitgestaltung.