Mittwoch, 22.05.2024
Dr. Christiane Ratjen-Damerau
Dr. Christiane Ratjen-Damerau

Das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland wird am 23. Mai d.J. 75!

Die Würde des Menschen ist unantastbar
– das ist der zentrale Auftrag des Grundgesetzes und damit
der Art. 1, das allüberragende und zentrale Element unserer Staatsordnung. Aus ihm folgt die Gleichberechtigung von Mann und Frau.
Anfangs war die Ausgestaltung des Art. 3 "Gleichheit vor dem Gesetz" umstritten, insbesondere die Formulierung "Männer und Frauen sind gleichberechtigt" sowie der Zusatz "Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin." Dieser Zusatz läutete die moderne Geschlechterpolitik Deutschlands wirklich ein. Das Grundrecht der Gleichberechtigung ist die Basis, auf der seitdem politische Reformen zugunsten der Gleichberechtigung durchgesetzt werden konnten. So zum Beispiel, dass wir Frauen, insbesondere unsere Mütter, ihre Ehemänner nicht mehr fragen mussten, ob sie arbeiten oder ihren Führerschein machen durften.
Es ist den vier mutigen Frauen des Grundgesetzes – auch Mütter des Grundgesetzes genannt – zu verdanken, dass dieser Paragraph gegen viele Widerstände durchgesetzt wurde. Elisabeth Selbert, Friederike Nadig, Helene Wessel und Helene Weber gehören zu diesen vier Müttern, die diesen Paragraphen zwischen 61 Männern durchgesetzt haben. Dieser Paragraph ermöglicht es uns Frauen bis heute, ein gleichberechtigtes und selbstbestimmtes Leben in einer modernen Gesellschaft zu führen. Der Boden, auf dem Frauenleben in Deutschland heute stattfindet, ist noch nicht vollkommen sicher, aber er ist fester und klarer, weil mutige Frauen damals so hartnäckig blieben und diese Frauenrechte durchgesetzt haben.
Das Grundgesetz ging aus den schrecklichen Erfahrungen des Dritten Reiches und der damit verbundenen groben Missachtung der Menschenwürde hervor. Nie wieder soll Extremismus von links oder rechts über Menschen bestimmen. Nie wieder soll ein Mensch wegen seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seines Glaubens oder seiner politischen Überzeugung benachteiligt oder bevorzugt werden. Die Rechte eines jeden Menschen dürfen von der Mehrheit in einer Gesellschaft nicht missachtet oder aufgehoben werden. Diese Rechte sind geschützt und können nicht verändert werden. Selbst über 75 Jahre nach der Verkündigung des Grundgesetzes am 23. Mai 1949 ist das Grundgesetz so aktuell wie nie zuvor. Als Hüter der Verfassung steht das Bundesverfassungsgericht in besonderer Verantwortung für die Einhaltung der Grundwerte. Beispielsweise wurde das Recht auf informationelle Selbstbestimmung bereits 1983 im sogenannten Volkszählungsurteil als allgemeines Persönlichkeitsrecht anerkannt. Weitere Fehlentwicklungen, wie der große Lauschangriff, wurden durch Klagen von Liberalen vom Bundesverfassungsgericht gestoppt.
Der ehemalige Bundespräsident Theodor Heuss ist einer der wichtigen Väter des deutschen Grundgesetzes und hat wesentlich zu seiner Ausformulierung und Ausgewogenheit beigetragen. Er wurde 1949 bis 1959 zum ersten Präsidenten der Bundesrepublik Deutschland gewählt. Unsere liberalen Werte von Freiheit, Frieden und Sicherheit bestimmen das Grundgesetz. Daher sehen wir uns in der Tradition von Theodor Heuss, der ganz entscheidend am Grundgesetz mitgewirkt hat, und in der besonderen Pflicht, es zu schützen und mit Leben zu füllen, denn der Staat ist um des Menschen willen da und nicht der Mensch um des Staates willen.
Lassen Sie uns gemeinsam für diese Verfassung und die damit verbundenen Werte in unserer Gesellschaft eintreten – mit Toleranz, Zuversicht in die gesellschaftlichen Werte und mit klarer Position gegenüber denen, die unsere Demokratie und unsere Freiheit gefährden.
Dr. Christiane Ratjen-Damerau